Home Office fördern, da familien- und unweltfreundlich? Oder die Leute doch eher jeden Tag pendeln lassen, da Kreativität und Innovation nur gemeinsam vor Ort entstehen? Oder steckt da auch noch die Vertrauensfrage dahinter zusammen mit der Angst vor Kontrollverlust?
In den letzten Wochen ist das Thema Home Office wieder breit und kontrovers diskutiert worden
Unter anderem wegen der Forderung der SP Deutschland nach einem Recht auf Home Office.
Nach dem ersten Hype hatte Yahoo 2013 als erste Firma alle ihre Mitarbeitenden wieder zurückgepfiffen.
Passiert jetzt klammheimlich wieder etwas Ähnliches?
Die Reaktionen auf die Initiative der SPD – die ich eher als Maximalforderung verstehe – sind zumindest sehr gemischt. Hier ein paar Artikel – kurz vorgestellt und verlinkt zum selber Nachlesen.
Nadja Alber: Ein Recht auf Homeoffice? [LINK]
- Work@home wird weitherum als eines der wichtigsten Tools für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie angesehen
- Es ist nicht zuletzt auch ein probates Mittel, um Familie und Beruf partnerschaftlicher zwischen Mann und Frau aufzuteilen
- Vorteil für den Arbeitgeber: viele Studien zeigen auf, dass sich die Produktivität erhöht
- ist umweltfreundlich und vermindert Stau und überfüllte Züge
Wichtig: „Nicht jeder Mitarbeiter kann Homeoffice – aber warum es deshalb ganz verbieten?
Wir müssen Mitarbeitende fair behandeln, was aber nicht heisst, dass alle im gleichen Umfang ein Recht auf Home Office erhalten müssen. Nicht alle Jobs sind ideal dafür. Geschäftliche oder private Situationen stellen unterschiedliche Ansprüche.
Und, ja, Home Office ist eine Arbeitsweise, die sich nicht für alle gleichermassen eignet. Wenn dem so ist, dann muss es im Gespräch aber auch offen auf den Tisch.
Kommunikationsprobleme lassen sich mit guter Organisation und den richtigen Tools lösen. Ich bin auch der Meinung, dass für ein gutes Teamklima und eine Atmosphäre, in der Ideen sprühen und sich gegenseitig befruchten, gemeinsame Zeit vor Ort nötig ist. Aber das muss nicht die ganze Woche sein.
One size fits all gibt es nicht
Wichtig ist, in jedem Team die passenden individuellen Lösungen zu finden – ein one size fits all gibt es hier nicht!
Arbeitgeber machen sich für mehr Heimarbeit stark (LINK)
In Deutschland und der Schweiz werden seit längerem Anpassungen am Arbeitsgesetz und flexiblere Arbeitszeiten gefordert. Im Gegenzug wedelt man dann öfter mal mit dem Home Office-Zückerchen.
Fakt ist aber auch, dass bspw. in Deutschland 62% der Arbeitgeber Home Office ablehnen. Aber auch die Beschäftigten haben davon nicht nur Vorteile (Reibung zwischen Beruflichem und Privatem). Deshalb verlangen die Gewerkschaften klare Regeln.
Also: Gesetze aufweichen? Oder noch mehr Regeln?
Das bringt uns wohl beides nicht weiter. Mehr Vertrauen, im Team ausgehandelte individuelle Lösungen, Win-win-Situationen wären wohl erfolgsversprechender.
Sebastian Smieja: Homeoffice für alle? Das geht in unserer Branche nur bedingt [LINK]
Hier hat’s zuerst einmal viele Gemeinplätze, die vorgeschoben werden:
- nicht alles geht von zu Hause aus
- Tools können den persönlichen Austausch nicht ersetzen
- ein enges Verhältnis kann ohne Präsenzzeiten nicht entstehen
Ja, das wissen wir – aber nichts davon spricht gegen Home Office
Schon ein wenig interessanter ist die Aussage, dass Kreativprozesse Präsenz vor Ort erfordern. Ohne geht es bestimmt nicht, da bin ich einverstanden – aber es braucht ebenso bestimmt auch keine ständige Anwesenheit. Ideen müssen sich auch setzen können, müssen ausgearbeitet werden. Wenn’s in dieser Phase mal Feedback braucht, dann ist ein Chat sehr gut geeignet.
Zudem: wo gibt es noch Teams, die den ganzen Tag zusammensitzen, gleichzeitig anwesend sind und ständig Zeit für kreativen Austausch haben?
Helena Serbent: Das „Recht auf Homeoffice“ ist eine der besten SPD-Ideen seit Jahren [LINK]
Hier mal eine gehörige Portion Euphorie: grossartige, fantastische Idee. Es ist immer gut, wenn sich jemand für FlexWork einsetzt. Die üblichen Vorteile von Home Office werden aufgezählt.
Auf zwei davon möchte ich kurz eingehen:
- Niemand sieht, wie du aussiehst, wenn du zu Hause vor dem Laptop sitzt. Du brauchst kein Business-Outfit mehr. Kennst du das Youtube-Video vom Mitarbeitenden, der in Unterhosen an einem Online-Meeting teilnimmt und nicht bemerkt, dass die Videokamera eingeschaltet ist? (Sorry, finde den Link dazu gerade nicht mehr)
- Die Meinung, dass dadurch der Kinderhort überflüssig wird, teile ich nicht. Einem Kind und der Arbeit gleichzeitig gerecht zu werden, ist meiner Meinung nach nicht möglich. Natürlich kann aber man/frau bspw. trotzdem am Home Office Day vor oder nach der Schule für die Kinder dasein (und am Abend noch ein bisschen Arbeit anhängen).
Cornelia Daheim: Wissenschaftliche Daten zum Arbeiten im Homeoffice – aus Shanghai [LINK]
Home Office hat ein eher schlechtes Image. Viele Leute denken dabei: verdächtig, im Pyjama oder Unterwäsche arbeiten, in die Tasten hauen und dabei Babys herumtragen, nichts Konstruktives tun, die 3 Feinde: Bett, TV, Kühlschrank.
Die Facts aus einer breiten Langzeitstudie sind aber die folgenden:
- Massive Leistungssteigerung um 24% (wenn diejenigen Home Office machen, die es auch wollen)
- Fluktuationsrate sank um 50%
Es wäre also an der Zeit, die Vorurteile zu überwinden!
Schaut euch unbedingt das Video an (LINK). Eindrücklich.