Eben habe ich im HR Today einen Artikel gelesen, der mich zu einem eigenen Post anregt. Stephan Penning schreibt, dass Change zum Dauerzustand geworden ist. Das ist in meinen Augen richtig. Wir mögen das bedauern und die guten alten Zeiten zurückwünschen, aber klar, das ist unrealistisch.
Change ist nicht gleich Change
Was mich aber umtreibt ist, dass Change nicht gleich Change ist. Oder anders gesagt, dass sich hinter diesem Begriff sehr unterschiedliche Dinge verbergen. Vielerorts werden mit dem Verweis auf die nötige Anpassung an schnelle Veränderungen auf dem Markt langwierige Change-Projekte, Restrukturierungen, Transformationen, Sparrunden, Neuausrichtungen etc. von oben verordnet. Abgesehen davon, dass diese oft relativ sinnfrei sind, hinken sie der Entwicklung auf dem Markt hoffnungslos hinterher. Deshalb werden sie auch oft schon vom nächsten Projekt abgelöst, bevor sie beendet werden können.
Verordneter Change schafft (unnötige) Unsicherheit
Dies mag leicht überzeichnet sein, ist aber auch nur der harmlose Teil der Problematik, die dadurch geschaffen wird. Solche Übungen schaffen immer Unsicherheit – bei den direkt Betroffenen wie bei denen, die nur beobachten. Jobunsicherheit sowieso, aber auch Unsicherheit, wie es denn jetzt weitergeht. Was ist noch ok und was nicht mehr? Was soll man noch tun und auf wen hören? Dies führt unweigerlich dazu, dass der ganze Laden paralysiert ist und quasi stillsteht und abwartet.
«Change» zementiert oft den Status Quo
Also genügend Zeit für alle, um den Markt zu beobachten, Kundenwünsche zielgerichtet zu erfüllen und innovativ zu sein? Logisch ist genau das Gegenteil wahr. In solch unsicheren Zeiten wird Nabelschau betrieben, jeder schaut für sich und sichert sich so gut wie möglich ab. Das Unternehmen beschäftigt sich mit sich selbst statt sich um seine Kunden zu kümmern (und seine Mitarbeitenden). So führt also der angekündigte Change Richtung mehr Agilität erst recht zum Stillstand, zu autistischen Verhaltensweisen und zum Verpassen des Zuges. Und obwohl man danach sofort aufs andere Gleis hetzt, ist dann auch der nächste Zug schon wieder weg. Wer war das schon wieder, der das so schön beschrieben hat? Kafka? Mani Matter?
Change geht anders
Ist es denn gar nicht möglich, in einer sich rasant ändernden Welt den Zug noch zu erwischen? Alles beim Alten zu belassen, kann’s ja auch nicht sein, oder? Selbstverständlich gibt es Mittel und Wege. Aber die Lösungen liegen nicht in den Strukturen und in Musik von oben. Das geht alles viel zu langsam und viel zu wenig treffsicher – etwa so, wie wenn man eine Erkältung mit einer penibel genau vorbereiteten Herz-Lungen-Operation heilen wollte.
Der Change, den es heute braucht, besteht zum grössten Teil aus kleinen aber zielgenauen Interventionen im Kundenumfeld und im richtigen Moment (moment of truth). Dort müssen auch Innovationen ihren Ursprung haben und das Gespür dafür, was sich denn nun wirklich ändert und wie. Und all diese Informationen, Ideen, Inputs, Feedbacks etc. müssen frei und ungehindert fliessen – in erster Linie horizontal, nicht vertikal.
Und Change-resistente «changen» plötzlich von selber
Dazu braucht es eher keine Grossprojekte und möglichst hoch aufgehängte Steering Committees. Auch Restrukturierung und Transformationen braucht es dazu eigentlich nur eine: nämlich die, die das vorher Gesagte möglich macht. Und viele der als change-resistent Verschrieenen sehen und erleben selber, was sich ändert und wie sie sich weiterentwickeln müssen, damit sie ihre Kunden zufriedenstellen – ja, begeistern – können, damit sie Spass an ihrer Arbeit haben und Sinn darin sehen. Wenn ein Unternehmen es zulässt, werden ihm genau diese Mitarbeitenden Beine machen, damit sich endlich etwas ändert.